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In der deutschen Botschaft in Peking wurde mein Mann empfangen wie zu einer Geschäftsbesprechung. Man sprach ihm das Beileid aus und behandelte den Fall ansonsten routinemäßig.

Bei den Behörden in Peking und bei der Universität stieß mein Mann auf eine Mauer des Schweigens, es schlug ihm geradezu eine Art von Feindseligkeit gegenüber. Man hat ihm so gut wie keine Informationen über Bernhards Tod gegeben. Er hat darum gebeten, mit Personen sprechen zu können, die Bernhard identifiziert haben. Da hieß es, das sei nicht möglich. Er wollte mit einem Professor sprechen, der auf einem Foto zusammen mit Bernhard abgebildet ist. Da hieß es, das sei nicht möglich, der Professor sei nicht bekannt. Er wollte den Ort sehen, an dem Bernhard tot aufgefunden wurde. Da hieß es, das sei nicht möglich.

Die Behörden in Peking stellten eine Sterbebescheinigung in chinesischer Sprache aus, in der es in dürren Worten heißt, daß Bernhard Armand Wilden unter der Brandschutztreppe eines Gebäudes der Bergbauuniversität tot aufgefunden worden sei und infolge eines akuten traumatischen hämorrhagischen Schocks gestorben sei, den er infolge Sturzes aus großer Höhe erlitten habe.

Sterbebescheinigung chinesisch

Diese Bescheinigung wurde mit amtlicher Beglaubigung ins Englische übersetzt:

Sterbebescheinigung englisch

und aus dem Englischen ins Deutsche:

Sterbebescheinigung deutsch

Wir wußten nicht, wo diese Bergbau-Universität liegt. Später - erst viele Monate später - sollten wir erfahren, daß sie in unmittelbarer Nähe zur BLCU liegt, also in dem Bereich der Universität, in dem Bernhard sich auch normalerweise bewegte. Es wird dadurch noch unverständlicher, warum mein Mann diesen Ort nicht sehen durfte, da es ja keine große Mühe und keinen großen Zeitaufwand bedeutet hätte, mit ihm einmal dorthin zu gehen. -

Mein Mann suchte auch den zuständigen Pfarrer der katholischen Südkirche auf. Bernhard hatte schon bei seiner allerersten Reise nach Peking diese Kirche gesucht und besuchte während seines vierjährigen Aufenthalts in Peking regelmäßig die Gottesdienste dort und nahm am Gemeindeleben aktiv teil. Auch wir waren einige Male dort und der Pfarrer kannte auch uns. Er kannte Bernhard von Beginn seines Aufenthalts in Peking im Jahre 2002.

Als mein Mann ihm vom Tod unseres Sohnes erzählte, äußerte der Pfarrer, daß er einen Selbstmord für ausgeschlossen hält. Diese Aussage war später in einem Presseartikel des Kölner Stadt-Anzeigers zu lesen.

Mein Mann konnte das Zimmer seines Sohnes betreten. Es lagen dort etwa zwei Dutzend kleine blaue Kartons, die innen mit rotem Stoff ausgekleidet waren. Wir fanden später heraus, daß diese Kartons wohl Hüllen sind für kleine blaue Büchlein der Katholischen Kirchengemeinde Peking, auf deren Vorderseite in chinesischer Sprache steht: "Das Tor zum Glauben". Zwei solcher Büchlein fanden wir später bei uns zuhause in seinem Zimmer. Vielleicht hat Bernhard solche Büchlein verschickt oder verschenkt.

Im Zimmer lag auch Bernhards Tagebuch. Darin waren waren sehr viele Einträge in chinesischer Sprache, dazwischen immer wieder längere Abschnitte oder auch nur kurze Anmerkungen in deutsch. Der letzte Eintrag in deutscher Sprache erfolgte am 31.3.2006 und lautet:

"Heute war ich mit Wang Ying bei einem theologischen Institut in der Nähe meiner Universität."

letzter Eintrag auf deutsch in Bernhards Tagebuch

Der letzte Eintrag überhaupt ist vom 24.6.2006 und in chinesischer Sprache.

Danach schrieb er in diesem Buch nicht mehr weiter, dafür seine Notizen auf losen Zetteln gemacht, denn es lagen sehr viele Zettel und Notizen in seinem Zimmer. Das meiste davon hatte Bernhard in chinesischer Sprache geschrieben, aber auch hier einiges in deutsch. Mein Mann nahm alle Zettel und auch sonst alle schriftlichen Dinge aus dem Zimmer mit. Er nahm auch das Handy seines Sohnes mit, das auf dem Tisch lag und funktionsunfähig war.

Als sich abzeichnete, daß es mit der Überführung des Leichnams Schwierigkeiten geben könnte, erkundigte ich mich bei einem katholischen Priester, ob man entsprechend dem katholischen Glauben auch einer Einäscherung zustimmen könne (früher war das nämlich gegen die Regeln des katholischen Glaubens), aber mir wurde von dem Priester bestätigt, daß die katholische Kirche einer Einäscherung nicht mehr ablehnend gegenüber stehe. Ich hatte meinem Mann mitgeteilt, daß ich zu einer Einäscherung einwilligen würde, wenn es gar nicht anders möglich sei, d.h. in dem Falle, daß er Peking verlassen müsse, ohne daß geregelt sei, was mit dem Leichnam von Bernhard geschehe. Es wäre für mich unerträglich gewesen, wenn mein Mann wieder zurückkommt, aber der Leichnam von Bernhard in China auf unabsehbare Zeit verbleiben muß und wir nicht wissen, was damit geschieht. Ich erteilte ihm sozusagen eine Vollmacht dafür, selbst die Entscheidung zu treffen. Es war anders in der Kürze der Zeit und der Schwierigkeiten in der Kontaktaufnahme nicht möglich. Es hatte wenige Tage zuvor in Südostasien ein Erdbeben gegeben und die Handy-Verbindungen von China nach Deutschland funktionierten nicht. Mein Mann konnte nur vom Hotelzimmer aus über Festnetz bei mir zuhause anrufen.

Einmal fuhr mein Mann mit chinesischen Beamten zu einem Rechtsmedizinischen Institut. Dort fand ein Gespräch statt mit Leuten, die sich nicht vorstellten; es war auch niemand von der deutschen Botschaft dabei, mein Mann wurde lediglich unterstützt durch eine Bekannte, die für ihn dolmetschen konnte. Hier wurde ihm ein Päckchen mit Kleidungsstücken unseres Sohnes zugeschoben. Mein Mann fragte dann in die Runde: "Könnte es nicht auch ein Unfall gewesen sein, an dem mein Sohn gestorben ist?"

Da entstand große Unruhe. Man nahm meinem Mann das Päckchen mit den Sachen seines Sohnes wieder weg, und später wurde jemand dazugeholt, offenbar ein Vorgesetzter, und meinem Mann wurde dann ein Papier in chinesischer Sprache vorgelegt, auf dem gestanden haben soll, daß er keine weiteren Fragen mehr hat. Dieses Papier solle er unterschreiben. An dieser Stelle wurde die Dolmetscherin meines Mannes eingeschüchtert und sollte ihren Paß abgeben (eventuell wußten sie nicht, daß diese Frau einen deutschen Paß hat). Für den Fall, daß mein Mann Anzeige erstatten wolle,  würde der Leichnam von Bernhard auf unbestimmte Zeit beschlagnahmt. Der Gedanke, daß jedoch mein Mann aus China abreist und Bernhards Leichnam dort bleiben muß, ohne daß wir wußten, was damit geschieht, wäre für uns unerträglich gewesen, und so unterschrieb mein Mann das chinesische Papier (er bekam keine Kopie) und gab seine Zustimmung zur Einäscherung. Da wurde ihm das Päckchen mit den Sachen unseres Sohnes, die er bei seinem Tod am Körper hatte, wieder zugeschoben. Es waren darin (wie wir dann zuhause in Köln feststellten), seine Winterjacke, seine Mütze und seine Brille. Dazu später noch mehr.

So hat mein Mann es mir berichtet, der genaue Ablauf ist für mich nicht nachzuvollziehen; es war ja auch ein Horrorszenarium ohnegleichen. Er beschreibt den ganzen Vorgang selber sehr genau, nachzulesen als Exkurs in seinem Protokoll über sein Gespräch mit der Sicherheitspolizei, s. dazu Abschnitt " Gespräch beim PSB".

So führten die Chinesen dann schnellstens eine Einäscherung durch und übergaben meinem Mann eine rote chinesische Holzurne mit der Asche seines Sohnes, die er an Bord eines Flugzeugs am 30. Dezember 2006 in seinem Gepäck mit nach Köln brachte. -

Später wurde ihm von zwei Personen in China berichtet, daß sie angerufen und gefragt worden seien, ob mein Mann jetzt tatsächlich aus China ausgereist sei. Es dürfte in China Menschen gegeben haben, die aufgeatmet haben, als mein Mann endlich außer Landes war.

Viel später, fast ein Jahr später, konnten wir erfahren, daß der Leichnam von Bernhard keine Verletzungen gehabt hat, auch nicht im Gesicht.

Obwohl Bernhard laut der chinesischen Sterbebescheinigung an Tod durch Verbluten infolge Sturzes aus großer Höhe gestorben sein soll, waren an seiner Jacke und an seiner Mütze, die unser Sohn bei seinem Tode anhatte und die meinem Mann übergeben worden war, überhaupt kein Blut. Ein völlig unverletztes Gesicht, kein Blut an der Kleidung und keine Verletzung bei einem Sturz aus großer Höhe?

Mein Mann entnahm zuhause verschiedene Sachen aus dem Koffer, vor allem die beschriebenen Papiere, und den Koffer selbst mit einigen anderen Dingen stellte er in Bernhards Zimmer. Ich war lange Zeit nicht fähig, in diesen Koffer zu schauen, aber viele Wochen nach Rückkehr meines Mannes aus Peking tat ich das. Da fand ich dann darin eine regelrecht zerdepperte Brille. Sie war völlig kaputt, ein Bügel fast im spitzen Winkel verbogen und ein Glas herausgefallen. Eine Brille kann unmöglich so deformiert und kaputt werden durch einen Sturz aus noch so großer Höhe. Auch an der Brille war kein bißchen Blut. Ich erschrak wegen dieser Brille und dachte mir: Wie mag dann erst sein Kopf, sein Gesicht ausgesehen haben? Und tat sie zurück zurück in den Koffer. Ich wußte damals noch nicht, daß er im Gesicht völlig unverletzt war, als er identifiziert worden war.

Warum hat man nicht damals in Peking unserem Wunsch entsprochen und den Leichnam von Bernhard nach Deutschland überführt? Warum hat man nicht einfach die in solchen Fällen vorgeschriebene Einbalsamierung des Leichnams vorgenommen (das hätte zwei Tage gedauert) und ihn dann nach Deutschland überführt?

Inzwischen bestehen erhebliche Bedenken daran, daß Bernhard aus einer Höhe stürzte. Haben die chinesischen Behörden gefürchtet, daß durch eine Überführung nach Deutschland diese Zweifel bestätigt worden wären?

Gab es vielleicht Schädelverletzungen, die nach außen nicht sichtbar waren und nicht von einem Sturz herrührten, sondern eine andere Ursache hatten? Später sollte bei den chinesischen Behörden tatsächlich von "Kopfverletzungen" die Rede sein, nämlich bei dem Besuch von Bernhards Vater beim PSB (dazu mehr später). Wieso war seine Brille völlig zerstört? Woran ist Bernhard tatsächlich gestorben?

Diese Fragen sind - neben anderen offenen Fragen - alle nicht geklärt, da die chinesischen Behörden alles daran gesetzt haben, eine schnelle Einäscherung vorzunehmen.

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